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17 Feb, 2009

Rebetiko: Die Musik der städtischen Subkultur Griechenlands

Posted by: Redaktion In: Reviews

von Elias Petropoulos erschienen im Palmyra-Verlag, 2002. mit s/w-Fotos und CD.

„Die rebetes sind leider schon lange tot, das rebetiko-Lied ist mittlerweile nicht viel mehr als eine altehrwürdige Mumie. Nekrophilie hilft allerdings nicht unbedingt weiter, wenn man das rebetiko verstehen will.“

 

Von Rezensionen

 

rezensiert von CHRISTINA FELLENBERG

Elias Petropoulos (1928-2003) war einer der ersten griechischen Rebetiko-Forscher. Von 1975 lebte und arbeitete er in Paris als Schriftsteller und Ethnograph der griechischen Kultur. Mit diesem Band liegt uns eine fundierte, übersichtliche und lesenswerte Arbeit vor.

Hier beschreibt er im doppelten Bewusstsein als griechischer Zeitzeuge und Ethnograph die Geschichte des Rebetikos. Dabei gelingt ihm mühelos die Balance zwischen Wissenschaftlichkeit und bewusst subjektiv geprägter Darstellung. Die spitzfindigen Anekdoten bereiten ebenso wie die lebendigen ethnographischen Beschreibungen eine vergnügliche Lektüre. Sein umfangreiches kulturelles Wissen, gemischt mit persönlichen Erinnerungen, gewährt einzigartige Einblicke in griechische Besonderheiten. 

Der Schwerpunkt liegt in diesem aus dem Englischen übersetzten Band auf dem historischen und sozialen Kontext des Rebetiko, bei dem sich im Wesentlichen drei Hauptstile unterscheiden lassen. Die Entwicklung des Rebetikos wird mit der Geschichte Griechenlands im 19. und 20. Jh. und mit einflussreichen Faktoren wie Verboten oder Angriffen von rechts und links in Beziehung gesetzt. Ebenso wird die Wechselwirkung zwischen der Entwicklung des Rebetiko und dessen Verflachung und massenmedialer Verbreitung durch die Schallplattenindustrie aufgezeigt, die von den USA ausgehend eine wesentliche Rolle im Wandlungsprozess spielte.   

Die Akteure dieses Musikstils werden von Petropoulos detailliert (Soziolekt, spezifische äußere Merkmale, Drogenkonsum) gezeichnet. Der Rebetes wird in seiner ganzen Widersprüchlichkeit aufgezeigt, wodurch gleichzeitig die von einigen Rebetiko-Forschern angenommen revolutionären Intentionen und Anschauungen der Rebetes entmystifiziert werden. Mit dieser umfassenden Kontextualisierung leistet Petropoulos einen Beitrag zur semantischen Dimension des Musikstils.

Daneben werden Aufführungspraxis, Tanzrhythmen, das Instrumentarium sowie  Charakteristika der beiden musikalischen Hauptströmungen geschildert. Das Verhältnis zwischen orientalischen (Musik)elementen und griechischer Volkliedtradition wird dabei berücksichtigt.  

In dieser aufrichtigen Arbeit scheut sich Petropoulos nicht, selbstreflexiv und offen auf persönliche und gesellschaftspolitische Schwierigkeiten in der Rebetiko-Forschung hinzuweisen. Petropoulos, der selbst wegen seines ersten Rebetiko-Bandes im Gefängnis saß, zeigt hier ideologische Hürden auf.

Die Ausführungen werden durch Anmerkungen des amerikanischen Rebetiko-Forscher Ed Emerys und durch relevante Internetadressen ergänzt.

Abgerundet wird die vielschichtige Darstellung mit einer Auswahl an repräsentativen Liedtexten (in deutscher Übersetzung). Die beiliegende CD (15 Tracks) stellt sowohl bekannte Stücke herausragender Rebetiko-Musiker als auch seltene historische Aufnahmen vor. 

 

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